Wussten Sie schon? – Notstandsmaßnahmen im Straßenbau
Susanne Keitemeier 15. März 2013
Durch öffentlich geförderte Notstandsmaßnahmen, als deren Träger die Gemeinden auftraten, versuchte man während der Weltwirtschaftskrise (1929-1932) der Arbeitslosigkeit auf lokaler Ebene Herr zu werden und gleichzeitig dringend notwendige Arbeiten durchzuführen. Die zu diesem Zweck sich meldenden Erwerbslosen waren im FAD (Freiwilliger Arbeitsdienst) zusammengefaßt, einer offenen Organisationsform, die es erlaubte, ohne Aufgabe des familiären Lebens von der eigenen Wohnung aus sich bei der Arbeit einzufinden. Dabei wurde zunächst ein Tagslohn von etwa 4,80 RM im Jahre 1925 gezahlt, der sich bis 1933 auf etwa 9,00 RM steigerte. Ab Februar 1933 wurden die etwa 25 Arbeitsdienstleistenden in der Gaststätte Josef Hütten für 0,33 RM pro Mann und Tag auf Kosten der Gemeinde beköstigt. Als Eigenanteil der Arbeiter wurde der Lohn um 20% gekürzt. Pastor Hillebrand und Förster Strob erteilten dort ein wenig Unterricht. An sportlichen Übungen wurde leichtes Exerzieren eingeführt. Am 30.04.1933 sind die offenen Arbeitsdienstlager des FAD aufgelöst und geschlossene Lager, z.B. in Kleebend an der Hahnerstrasse und in Roetgen an der Bahnhofsstrasse, errichtet worden. [..]
Verbreiterung und Neudeckung der Hauptstrasse
Durch die veränderte Grenzziehung nach dem ersten Weltkrieg und durch die größere Motorisierung wurde die Strasse von Zweifall nach Roetgen einem stärkeren Verkehr ausgesetzt und erhielt eine überregionale Bedeutung, so dass diese Gemeindestrasse im September/Oktober 1931 als Provizialstrasse von der Rheinprovinz übernommen wurde. Zuvor musste sie provinzialstrassenmäßig ausgebaut, d.h. verbreitert und neu gedeckt werden. Dies geschah im Jahr 1931 im Rahmen eines Notstandsmaßnahme, als deren Träger die Zivilgemeinde Rott auftrat. Die Stellungnahme der Anlieger vom 29.05.1927 erscheint auch aus heutiger Sicht noch durchaus zeitgemäß und vorausschauend:
Rott, den 29.5.27
An das
Bürgermeisteramt Roetgen
Unterzeichnete protestieren entschieden gegen die geplante Wegnahme von Privateigentum in Rott,
1. weil unsere Dorfstrasse nicht schmäler ist als in den Nachbargemeinden,
2. weil wir wegen des Staubs und Bezingeruchs kein Fenster öffnen können,
3. weil man sich sonntags nicht mit Vieh auf der Strasse sehen lassen darf,
4. weil der Schulunterricht gestört wird,
5. weil auf breiteren Strassen fast wöchentlich Unglücke passieren,
6. weil die Einwohner noch mehr mit Steuern belastet werden,
7. weil das Bild der Dorfstrasse nicht schöner wird.
Indem wir das Bürgermeisteramt und den Gemeinderat dringend und höflichst bitten, die Dorfstrasse zu belassen, wie sie jetzt ist, zeichnen
14 Rotter Familien
Die reinen Baukosten dieser Übergabestrasse für den Abschnitt der Ortsdurchfahrt Rott beliefen sich auf 20.639,53 RM. Von dieser Summe wurden 14.327,81 RM, d.h. rund 70% von Arbeitern und Betrieben aus Rott erbracht und an diese ausgezahlt, so dass man von einer echten Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die einheimische Bevölkerung sprechen kann.
1. Die ortsansässigen Fuhrunternehmen Mathias Keus, Wilhelm Peters, Paul Hütten, Wilhelm Biervert (Mulartshütte) und Heinrich Roentgen (Mulartshütte) erhielten für Fuhrleistungen 77,38 RM
2. Der Rotter Steinbruchbetrieb Edmund Krutt u.a. lieferten Steine im Wert von 5.454,17 RM
3. Außerdem lieferten Steine Nikolaus Emonts, Franz Löhrer, Quirin Schreiber, Josef Peters im Werte von 2.290,56 RM
4. Heinrich Roentgen u.a., Peter Deresia u.a., Hubert Rödig u.a., Josef Braun u.a., Josef Krott u.a., Wilhelm Klubert u.a., Josf Jungblut u.a., Paul Winkhold u.a., Paul Schreiber u.a., Arnold Keischgens u.a., und Engelbert Küpper u.a. erhielten Lohn für Steinzerkleinerung, Wegearbeiten, Grabenaushub, Packlagesetzen, Pflasterarbeiten, Kleinschlageinbauen, Walzrn usw. in Höhe von 5.110,70 RM
5. Johann Schnitz erhielt für Geräteschärfen 378,88 RM
6. Athanasius Winkhold bekam für Steinbrecher- und Vermessungsarbeiten 302,12 RM
7. Paul Hütten berechnete für das Anstreichen der Nummernsteine 8,00 RM
8. Jakob Roentgen, Ortsvorsteher, erhielt als Ersatz für Lohnausfall während einer Besichtigung 6,00 RM
Neudeckung der Königsberger Strasse
Im Jahr 1932 wurde die Königsberger Strasse unter der Leitung von Förster Strob als Notstandsmaßnahme neu gedeckt. Auch hier wurden wiederum, soweit es möglich war, Rotter Firmen und Arbeiter eingesetzt.
Es erhielten:
1. Lorenz Krutt für Sprengarbeiten, 9,60 RM
2. Mathias Keus und Wilhelm Peters für Steinefahren, 214,77 RM
3. L. Schreiber u.a., Richard Jungblut u.a., P. Schreiber u.a. für Steinefahren, 770,08 RM
Im Übrigen wurden die Arbeiten durch den Freiwilligen Arbeitsdienst (FAD) und Wohlfahrtsempfänger geleistet. Der Gesamtaufwand betrug 4200 RM.
[..]
Quelle: Rainer Hülsheger, “Rott Erinnerungen, Band 3 ”
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Der Artikel hat Bezüge zur Gegenwart: http://www.aachener-zeitung.de/lokales/eifel/strassensperrungen-auf-der-landstrasse-238-1.542744